Ansprechen oder nicht?
Schmerz ist der häufigste Grund für einen Besuch beim Chiropractor.
Schmerz hat viele Dimensionen.
Physische, psychische, biochemische, soziale.
Um eine einigermaßen akkurate Prognose abzugeben, müssen all diese Dimensionen in Betracht gezogen werden.
Aber viele der möglichen Einflussfaktoren auf das Erleben von Schmerz werden eher verschwiegen. Das führt dazu, dass Patienten sich unverstanden fühlen und das Prognosen völlig daneben liegen. Und so sind alle Beteiligten unzufrieden.
Das ist nicht wichtig
Jeder Mensch der zu mir in die Praxis kommt, fällt eine Menge Entscheidungen. Überhaupt zu einem Chiropractor zu gehen ist eine spannende Entscheidung. Dann muss entschieden werden welche Informationen auf den Fragebogen geschrieben werden. Im darauffolgenden und für die Patienten oft ungewöhnlich langen Gespräch wird eine Auswahl getroffen, welche Details auf die Fragen des Chiropractors preisgegeben werden.
Mal den Fuß gebrochen als Jugendliche? Zu lange her und zu weit weg vom Rücken. Nicht wichtig…
Gynäkologische Operationen oder Kaiserschnitt? Das hat doch mit dem Rücken nichts zu tun.
Täglicher Alkoholkonsum? Machen doch viele. Nicht der Rede wert…
Und dann gibt es noch Themen die viele Menschen nicht nur beim Chiropractor sondern auch vor allen anderen verschweigen. Traumatische Kindheit, schwere Lebenskrisen bis hin zu Suizidgedanken, psychische und physische häusliche Gewalt, ungewöhnliche sexuelle Vorlieben, anstehende oder gerade durchgemachte Trennungen, drohender Burnout usw.
Ich habe volles Verständnis dafür, dass solche Themen nicht mit jemandem erörtert werden, den man kaum kennt. Aber natürlich hilft das Wissen um diese Themen dabei das Gesamtbild des aktuellen Problems zu komplettieren. Daher freue ich mich immer, wenn mir im Laufe der therapeutischen Beziehung diese Themen dann doch noch besprochen werden.
You are so rude!
Du bist so unhöflich, war ein Satz den ich zu Beginn in England immer wieder gehört habe. Das bezog sich dann hauptsächlich darauf, dass ich oft sehr direkt war und bin. In der Praxis würde ich neulich gefragt, ob ich das Thema Übergewicht mit meinen Patienten abspreche. Die Antwort ist: Ja.
Aber natürlich im Kontext. Jede Person mit Übergewicht ist sich bewusst, dass dieser Umstand zu der Belastung der Gelenke beiträgt. Und nicht nur das. Oft sind auch die Entscheidungen über Ernährung und Bewegung der Schmerzfreiheit nicht zuträglich. Der dann einsetzende Teufelskreis mündet häufig in mehr Bewegungsmangel, Entzündungsneigung, Medikamenten und Schmerzen.
Sich dieser Kreisläufe bewusst zu sein ist wichtig um sie zu durchbrechen. Es geht bei der Erwägung von möglichen Ursachen und Behandlungen nie darum ‚Schuldige‘ zu finden. Es geht immer um Lösungen.