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Wer hat Schuld?

oder die Frage der Eigenverantwortung.

Die Chiropractic rühmt sich oft der Eigenschaft ursächlich zu behandeln. Das ist eine hervorragende Idee, doch sie hat ihre Grenzen. Denn manches Mal lassen sich Ursachen oder vermeintliche Ursachen ausfindig machen, die nicht mehr zu ändern sind.

Dies können vorgeburtliche Ereignisse sein. Oder einmalige physische und psychische traumatische Ereignisse von Verlust und Schock. Und vieles andere mehr.

Nun werde ich oft von meinen Patientinnen nach den Ursachen des aktuellen Problems gefragt. Da kommt neben ergonomischen Umständen, Grad der Abnutzung, Steifigkeit der Muskulatur, reversiblen Blockaden der Gelenke usw. auch immer der Lebensstil als Ganzes zur Sprache.

Ein Ergebnis dieses Lebensstils ist dann manchmal, und heute immer häufiger, Übergewicht. Ich spreche dieses Thema oft direkt an. Und, je nach Schmerzgeschehen oder Problemstellung, relativiere ich dann den Einfluss des Gewichts auf die anliegende Thematik. Hier gibt es mehrere Aspekte zu berücksichtigen:

  • Die mechanischen Auswirkungen von hohen Gewichtsbelastungen auf die Gelenke. Diese sind im Rücken nicht so direkt nachweisbar, wie bei Kniebeschwerden.
  • Die hormonellen Folgen eines starken Ungleichgewichts zwischen Fettgewebe und Muskelgewebe. Unsere Körperchemie kann nur dann ‚normal‘ sprich ausgeglichen und flexibel reagieren, wenn auch die Anteile der verschiedenen Gewebe ausgeglichen sind.
  • Der Lebensstil, der zu der aktuellen Körperzusammensetzung führte bzw. führt. Es ist eine Sache übergewichtig zu werden. Aber eine weitere übergewichtig zu bleiben.

Du bist nicht Deine Krankheit

Du bist nicht Diabetikerin. Du hast einen erhöhten Blutzucker.

Du bist nicht Bandscheibenpatient. Du hast einen lokal begrenzten und meist selbstheilenden Materialschaden am Bandscheibengewebe.

Diese Punkte bringe ich in meiner Praxis immer wieder an. Denn ich glaube, dass eine zu starke Identifikation mit der ‚Krankheit‘ zu falschen Schlüssen und zu gesundheitsschädlichem Verhalten führt.

Und bei diesem Punkt stimme ich mit einer Erklärung der kanadischen Gesundheitsbehörden überein. Diese möchte den Begriff Fettleibigkeit neu definieren um das so genannte ‚fat-shaming‘ zu vermeiden.

Aber die Dinge nicht mehr beim Namen zu nennen hat auch Nachteile. Statt ‚der Fettleibige’ heißt es nun ‚die Person, die mit Übergewicht lebt’. Das lässt es für mich so klingen als sei das Übergewicht ein lästiger Machbar, der eben da lebt wo er lebt. Da kann ich jetzt nix machen.

Genauso schädlich ist es, jede Verantwortung für den jeweiligen Zustand von sich zu weisen. ‚Ich bin halt schon immer so, da kann man nix machen.‘ Oder der Klassiker ‚Alle in meiner Familie sind übergewichtig.‘ Oder eben, wie es die oben genannten Richtlinien vorschlagen ‚Das ist eine Krankheit von der ich befallen bin. Die physiologischen und psychologischen Ursachen sind komplex. Da reicht ‚weniger essen und mehr bewegen‘ eben einfach nicht.‘

Das ist alles richtig! Aber nun bleibt die Tatsache bestehen, dass wir als Erwachsene Menschen alle eine gewisse Verantwortung für unser jetziges Leben haben. Kindheit, Genetik und gelernte Verhaltensweisen spielen eine gewisse Rolle. Aber egal wie ich es wende und drehe, die Hinwendung zu einem psychisch und physisch gesünderem und leistungsfähigerem Leben beginnt mit einer bewussten Entscheidung für diese Veränderung.

Und hier zu behaupten ‚es sei eben nicht so einfach wie ‚weniger essen und mehr bewegen‘‘ kann durchaus gefährlich sein. Denn ganz ohne Änderung der derzeitigen Bewegungs- und Ernährungsgewohnheiten geht es nicht. Manchmal stehen andere Änderungen an erster Stelle.

Mir sind die komplexen Zusammenhänge der menschlichen Psyche und des Körpers absolut bewusst. Ich habe viele Patienten mit äußerst komplizierten Krankengeschichten bei denen Übergewicht nicht in der vordersten Reihe der Probleme steht. Aber es ist auch jedem dieser Menschen klar, dass es helfen würde, dieses Gewicht zu optimieren, bzw. die Schritte einzuleiten, die dies möglich machen. Manch eine muss erstmal die Darmflora wieder in Ordnung bringen. Oder eben beginnen bei einer Mahlzeit des Tages, die Dinge wegzulassen von denen sie weiß dass sie sich negativ auswirken. Oder mal die 10.000 Schritte am Tab zu machen.

Es gibt hier extrem viele sinnvolle Vorschläge. Und gerade bei Bewegung ist es so, dass 80% des gesundheitlichen Nutzens in dem Schritt von ‚nichts machen‘ zu ‚ein wenig was regelmäßig machen‘ liegt.

Denkanstöße, Tipps und Übungen für den Alltag?